Resolution des EU-Ministerrates zur Verschlüsselung von Online-Kommunikation


Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wende mich an Sie, um meine tiefe Besorgnis über die geplante Resolution des EU-Ministerrates zur Verschlüsselung von Online-Kommunikation[1] zum Ausdruck zu bringen, deren Entwurf der Österreichische Rundfunk am 8. November 2020 veröffentlichte.[2]

Der Resolutionsentwurf fordert die Einführung technischer Lösungen, die es nationalen Strafverfolgungsbehörden ermöglichen soll, effektive Ende-zu-Ende-Verschlüsselung privater Kommunikation auf Online-Messengern zu durchbrechen. Die Delegationen der Mitgliedsstaaten werden darum gebeten, sich bis zum 12. November zu diesem Vorschlag zu äußern. Am 19. November soll der Entwurf dem Ständigen Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI) vorgelegt werden, damit der AStV II am 25. November und schließlich der Rat selbst den Entwurf im schriftlichen Verfahren annehmen kann.

Entgegen der Behauptungen im Resolutionsentwurf gibt es jedoch keine “ausgewogene” Methode zur Entschlüsselung unserer Online-Kommunikation. Im Gegenteil, es ist technisch schlicht unmöglich, Zugang zu sicher verschlüsselter Kommunikation ausschließlich für “rechtmäßige” Zwecke zu gewähren, so wie im Entwurf angeführt. Sobald Messenger-Dienste die Entschlüsselung privater Kommunikation ermöglichen, z.B. durch die Implementierung von Hintertüren oder die Bereitstellung von Generalschlüsseln, ist die Sicherheit unserer Kommunikationsinfrastruktur ein für allemal gebrochen - und das nicht nur für die “rechtmäßigen” Zwecke, die von den nationalen Regierungen vorgesehen sind. Vielmehr steht, sobald einmal eine “Hintertür” zur Umgehung effektiver Verschlüsselung ermöglicht wird, ebendiese Tür offen für Massenspionage jeglicher Art - sei es von ausländischen Geheimdiensten, Hackergruppen oder sonstigen externen Angreifern. Wer die sichere Verschlüsselung opfert, um Lauschangriffe zu ermöglichen, gefährdet gleichzeitig den Schutz von Privat-, Geschäfts- und Staatsgeheimnissen. Zugleich ist vielfach belegt worden, dass sichere Ende-zu-Ende Verschlüsselung die wirksame Ausübung und den Schutz der Meinungs- und Redefreiheit gewährleistet.[3] Dementsprechend kann das Durchbrechen sicherer Verschlüsselung deutlich nachteilige Auswirkungen auf diese Grundrechte haben.

Im Gegensatz zu den Ausführungen der Ratspräsidentschaft im Resolutionsentwurf gibt es daher keinen Mittelweg zwischen der Aufrechterhaltung der “Grundrechte und der digitalen Sicherheit von Regierungen, Industrie und Gesellschaft” und dem Durchbrechen der sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.

Daher appelliere ich an Ihre Verantwortung als Vertreter der Bundesregierung, das Grundrecht auf Privatsphäre sowie die Sicherheit unserer digitalen Kommunikationswege zu schützen. Bewahren Sie unsere Kommunikationsinfrastruktur vor den Eingriffen Dritter sowie nationaler Behörden und lehnen Sie den Resolutionsentwurf ab.

Mit freundlichen Grüßen

[________________]

Referenzen:

[1] Council of the European Union: “Draft Resolution on Encryption - Security through encryption and security despite encryption”, 06 November 2020, verfübar unter: https://files.orf.at/vietnam2/files/fm4/202045/783284_fh_st12143-re01en20_783284.pdf

[2] Moechel, Erich: “Auf den Terroranschlag folgt EU-Verschlüsselungsverbot”, ORF-Online, 08 November 2020, verfügbar unter: https://fm4.orf.at/stories/3008930

[3] Kaye, David: “Report of the UN-Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression David Kaye”, presented to the United Nations Human Rights Council, Twenty-Ninth Session on 22 May 2015, verfügbar unter: https://www.undocs.org/A/HRC/29/32